Georg Trakl, Georg, 3. 2. 1887 Salzburg – 3. 11. 1914 Krakau.
Der Sohn eines Eisenhändlers wurde nach der Obersekunda nicht versetzt und machte 1905–08 ein Praktikum in der Salzburger Apotheke »Zum weißen Engel«. Im Herbst 1908 ging er zum Pharmaziestudium nach Wien (Magister 1910). Ab Oktober 1910 absolvierte er hier sein Militärjahr und arbeitete dann wiederum in der Apotheke »Zum weißen Engel«. Im April 1912 begann sein Probedienst als »Medikamentenakzessist« in der Apotheke des Garnisonskrankenhauses in Innsbruck. Am 31. 12. 1912 trat er eine Stelle im Ministerium für öffentliche Arbeiten in Wien an, die er einen Tag später wieder aufgab; auch den Probedienst im Kriegsministerium, den er im Juli 1913 aufnahm, brach er sofort wieder ab. Unterstützung fand er u. a. bei Ludwig v. Ficker und seiner Frau in Innsbruck, die er 1912 kennen gelernt hatte, und bei K. Kraus; mit ihnen und anderen Freunden machte er im August 1913 eine Venedig-Reise. Im März 1914 reiste T. zu seiner erkrankten Schwester Grete nach Berlin; seine eigene Gesundheit war durch Alkohol- und Drogenkonsum stark beeinträchtigt. Die finanzielle Misere wurde durch eine Spende Ludwig Wittgensteins zur Unterstützung österreichischer Künstler behoben; T. erhielt – wie R. M. Rilke – 20 000 Kronen. Bei Kriegsausbruch wurde er eingezogen und in Galizien stationiert. Nach seinem ersten Einsatz in der Schlacht von Gródek (8.–11. 9. 1914) unternahm er einen Suizidversuch. Daraufhin wurde er zur Untersuchung seines Geisteszustands nach Krakau gebracht. Er starb an einer Überdosis Kokain.
T. stellte 1909 zum ersten Mal eine (ungedruckte) Sammlung von Gedichten zusammen (»Sammlung 1909«), die noch ganz unter dem Einfluss von Jugendstil und Symbolismus steht. In den danach entstandenen Texten, erschienen in den
Gedichten, setzte sich ein eigener Ton durch. Gedanken und Bilder von Tod und Verfall verbinden sich mit formaler Schönheit und musikalischem Wohlklang. Charakteristisch ist dabei die Reihung von Bildelementen, die »bildhafte Manier, die in vier Strophenzeilen vier einzelne Bildteile zu einem einzigen Eindruck zusammenschmiedet« (T.). Texte wie
Musik in Mirabell oder
Verklärter Herbst gehören zu diesem Gedichttyp. Daneben stehen aber bereits Gedichte in freien Rhythmen, die dann in der noch von T. zusammengestellten und genau komponierten Sammlung
Sebastian im Traum dominieren und die wenigen metrisch regelmäßigen Gedichte in den Hintergrund drängen. Das Buch besteht aus den Zyklen
Sebastian im Traum, Herbst des Einsamen, Siebengesang des Todes, Gesang des Abgeschiedenen und der Prosadichtung
Traum und Umnachtung. In der stark verdichteten Motiv- und Bildsprache, die hermetische Züge aufweist, schlagen sich antike Mythen (Orpheus), christliche Vorstellungen und literarische Anspielungen und Zitate (Hölderlin, Novalis, Arthur Rimbaud, Fjodor Dostojewskij) nieder. Dabei kontrastiert T. antikarkadische oder christlich geprägte Paradies- und Erlösungsvorstellungen mit dunklen Bildern des Verfalls und der Fäulnis, der Angst und des Verderbens. Anders als in den reihenden Texten der
Gedichte ergeben sich bei ständiger Metamorphose der sprachlichen und bildlichen Vorgänge zeitliche Perspektiven, zeigen sich (diskontinuierliche) Bewegungen von paradiesischer Vorzeit zu Erlösung und Apokalypse, hat der Verlauf der Tages- und Jahreszeiten ein Ziel: Herbst, Abend, Nacht – Absterben, Untergang, Tod. Darin kann man einen Reflex der gequälten und gefährdeten Existenz des Dichters sehen, wenn auch angesichts des hermetischen Charakters der Texte direkte Rückschlüsse auf die Biographie des Dichters, etwa im Hinblick auf die (literarisch u. a. auf Richard Wagners
Walküre verweisende) Inzest-Thematik, kaum möglich sind. Nach
Sebastian im Traum erschien 1914–15 noch eine Reihe von Gedichten T.s in der von L. v. Ficker herausgegebenen Halbmonatsschrift
Der Brenner, darunter die Evokation der Schlacht von Gródek (
Am Abend tönen die herbstlichen Wälder).
In: Reclams Lexikon der deutschsprachigen Autoren. Von Volker Meid. 2., aktual. und erw. Aufl. Stuttgart: Reclam, 2006. (
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